Simon Dreher: Neuer Vikar möchte neue Maßstäbe setzen
Südkurier 20.08.2018
Simon Dreher ist der neue Markdorfer Vikar und folgt auf Johannes Treffert. Der 29-jährige gebürtigen Rottweiler freut sich auf seine Zeit in der Gehrenbergstadt und verspricht im SÜDKURIER-Interview sein Bestes zu geben.
Markdorf – Dass Neupriester bereits kurz nach ihrer Weihe während der Sommermonate die Urlaubsvertretung in einer Pfarrei oder Seelsorgeeinheit übernehmen, ist lang geübte Praxis in der katholischen Kirche. Simon Dreher, dem im vergangenen Mai von Erzbischof Stephan Burger im Freiburger Münster das Priesteramt übertragen worden ist, hat sich eine Ferienvertretung im Bodenseeraum schon sehr gut vorstellen können. Um so mehr habe es ihn gefreut nach Markdorf zu kommen.
Stelle entspricht seinen Wünschen
„Von meinen Vorgängern wird die Seelsorgeeinheit als sehr gute Stelle beschrieben“, so der 29-Jährige. Von daher habe sie seine Wünsche getroffen. Nun freue es ihn um so mehr, dass er nicht nur vertretungshalber bis September bleibt, wie das ursprünglich vorgesehen war, sondern in Markdorf die erste Station seines Vikariats absolvieren wird. „Vermutlich werde ich zwei bis drei Jahre hierbleiben“, erklärt der junge Priester. Insgesamt dauert das Vikariat fünf Jahre. Er tritt die Nachfolge von Johannes Treffert an, der die Seelsorgeeinheit im Juni Richtung Karlsruhe verlassen hat.Das könnte Sie auch interessieren
Was Urlaubsvertretung heißt, ist unterdessen ganz gewiss kein Urlaub. Gottesdienste, Messen, Firmvorbereitung, Beerdigungen, gehören seit einigen Wochen zum Arbeitsalltag von Simon Dreher. Ein Anflug von Ferien ist ihm dennoch vergönnt. Im Rahmen seiner Pflichten in der Jugendarbeit besucht er die Ministranten in ihrem Sommerlager in Hirschegg im Kleinwalsertal.
Gemeinde mit Engagement
Jener Ruf, den Markdorf im Freiburger Priesterseminar besitzt – eine Gemeinde zu sein, in der sich aufgeschlossene Gemeindeglieder sehr engagieren -, den sieht Dreher inzwischen durch eigene Erfahrung bestätigt. „Zum Beispiel das Projekt der Mittleren Kaplanei, bei dem viele ehrenamtlich mitwirken“, habe ihn stark beeindruckt.
Aber es gebe etliche weitere Beispiele für ein überaus lebendiges Miteinander zu nennen. „Mein erster Eindruck ist: die Leute lassen sich nicht so bedienen, sie nehmen viel in die eigene Hand“, staunt der neue Vikar in Markdorf. Man wisse sehr wohl, was man will, so beobachtete Dreher. Und man arbeite zusammen.
Er tritt in „Riesenschuhe“
„Es sind Riesenschuhe“, antwortet Vikar Dreher, wenn er auf die Erwartungen der Gemeinde hin angesprochen wird. Erwartungen, die – bei aller Zurückhaltung – gar nicht anders als hoch sein können. Weil Drehers Vorgänger Johannes Treffert ziemlich hohe Maßstäbe gesetzt haben. Dreher sieht es pragmatisch gelassen. „Ich bin hier nicht hergekommen, um das Rad neu zu erfinden.“ In jedem Falle aber werde er sein Bestes geben in Markdorf.
Es ist dies keineswegs die erste Herausforderung, der sich der junge Priester mit einer gewissen pragmatischen Gelassenheit stellt. Als ihm sein Ausbildungsleiter statt der gewünschten Arbeit mit Behinderten oder im sozialen Bereich vorschlug, etwas völlig anderes zu machen und praktische Erfahrung im seelsorgerischen Dienst einer Justizvollzugsanstalt zu sammeln, da habe er zunächst schon schlucken müssen, die Aufgabe dann aber doch angenommen. „Eigentlich auch ohne große Bedenken – eher schon mit Neugierde“, erinnert sich Vikar Dreher.
Arbeit in der Justivollzugsanstalt
„Natürlich haben sich dort viele Klischees voll bestätigt“, schaut er zurück. In der JVA herrsche eine bisweilen recht robuste Hackordnung. Überhaupt sei der auf den Gefangenen wie auch den Bediensteten lastende Druck sehr hoch. Die Gefängnisseelsorger nehmen aber eine Sonderstellung ein. „Sie sind nicht berichtspflichtig“, genießen von daher eine gewisse Vertrauensstellung.
Simon Drehers Bericht aus der JVA Bruchsal klingt nüchtern, ausgewogen. „Es heißt schon, sich auch in Acht zu nehmen, auf der Hut zu sein, wenn an den Gutmenschen appelliert wird, um Vergünstigungen zu erlangen. Auf der anderen Seite stünden die Begegnungen mit Häftlingen, für deren Resozialisierung viel erreicht werden konnte. „Mich hat diese Erfahrung in der JVA insofern verändert, dass ich noch vorsichtiger geworden bin mit meinen Urteilen.“
Frühes Interesse an der Religion
Mit 14 Jahren wurde Simon Dreher Ministrant. Sein Elternhaus sei kirchlich gar nicht so stark engagiert gewesen. Und er selber habe sein Interesse an der Religion erst während der Firmvorbereitung entdeckt. Prägend wirkte die Begegnung mit einem Pfarr-Diakon.
In der Folge brachte sich der junge Simon im Jugend-Gottesdienst-Team ein. Dies war die Phase, in der er in der Kirche „eine Kraft verspürt“ hat. Und fortan wuchs die Gewissheit: „Da ist jemand da“, sagt Dreher, „dieser Gott, von dem immer alle reden.“ Er hatte ihn für sich gefunden.
Gutes Leben als Priester
Das Liturgische ziehe ihn an. Schon als Ministranten habe ihn die besondere Sphäre im Altarraum beeindruckt. Das ist der Ort, wo Gott zu uns spricht“, erklärt Simon Dreher. Er sei dankbar dafür, die erfahren haben zu dürfen. Und er ist gewiss, diese Erfahrung auch weiter vermitteln zu können. Zweifel, ob sein Weg, Priester geworden zu sein, der richtige ist, gebe es auch.
Aber keine so tiefgreifenden, dass sie ihn von seiner getroffenen Entscheidung hätten abbringen können. Es sei dies ein gutes Leben, das des Priesters – mit ganz eigenen Erfahrungen. Erfahrungen, die den eigentlich einem Familienleben gegenüber aufgeschlossenen Simon Dreher überzeugt haben.
Zur Person
Simon Dreher wurde 1989 in Rottweil geboren. Aufgewachsen ist er in Balkheim. Am Gymnasium in Spaichingen hat sein Abitur gemacht. Im Anschluss studierte er in Freiburg und in Münster Katholische Theologie. Erste Praxiserfahrungen erwarb er als Gefängnisseelsorger in Bruchsal. Nächster Schritt seiner Ausbildung war der Einsatz im Villinger Pastoral-Team. In diesem Mai wurde Simon Dreher von Erzbischof Stephan Burger im Freiburger Münster zum Priester geweiht. Zunächst nur als Urlaubsvertretung in der Markdorfer Seelsorgeeinheit eingeplant, wird der junge Priester nun doch länger bleiben, um hier den ersten Teil seiner Vikariatszeit zu absolvieren. (büj)
Vikar Johannes Treffert verabschiedet sich von Markdorf
Südkurier 11.06.2018
Mit einer Eucharistiefeier und einer zweieinhalbstündigen Abschiedsfeier hat sich Vikar Johannes Treffert aus Markdorf verabschiedet. Zahlreiche Redner würdigten das Tun das 31-Jährigen in der Seelsorgeeinheit. Und 97 Ministranten, die an der Feier teilnahmen, belegten, dass der Geistliche in der Jugendarbeit Maßstäbe gesetzt hat, wie Pfarrer Hund es formulierte.
In einer voll besetzten Kirche ist Vikar Johannes Treffert verabschiedet worden. Nach drei Jahren in der Seelsorgeeinheit Markdorf geht der 31-Jährige als Dekanatsjugendseelsorger und Religionslehrer nach Karlsruhe. Dort ist er auch zum geistlichen Leiter im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Diözesanverband berufen worden.
Zahlreiche Redner würdigen Johannes Treffert
Der Abschied fand im Anschluss an die von Treffert geleitete Eucharistiefeier statt, die musikalisch vom neuen Kirchenmusiker Johannes Tress und der Musikgruppe „Team Jesus“ begleitet worden war. Außer Pfarrer Hund, dem Leiter der Seelsorgeeinheit, und Bürgermeister Georg Riedmann, Willi Bochtler, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats, Pfarrerin Kristina Wagner und Pfarrer Tibor Nagy aus der evangelischen Schwestergemeinde sprachen etliche weitere Vertreter aus der Seelsorgeeinheit, bevor es nach zweieinhalb Stunden zu einem Stehempfang vor der St.-Nikolaus-Kirche ging.
Treffert: „Drei wunderbare Jahre hier“
„Uns auch nicht!“, begann Pfarrer Hund seine Rede. Der Geistliche knüpfte damit an Vikar Johannes Trefferts Eingeständnis an, dass ihm der Abschied aus Markdorf durchaus nicht leicht falle. Nach „drei wunderbaren Jahren hier“, so Treffert, mit zahlreichen Begegnungen, mit tiefen Gesprächen, „wäre es einfach gelogen, wenn ich sagen würde, ich gehe gerne“. Auch wenn jeder Abschied mit der Möglichkeit zu einem Neuanfang, zu Veränderungen verbunden sei.
97 Ministranten bei Abschiedsfeier dabei
Neuanfang, Veränderung waren Teil jener Botschaft, die ein von Treffert während des Gottesdienstes abgespieltes Lied angesprochen hatte. Die Predigt schlug die Brücke zum Neuen Testament. Bei aller Aufbruchshoffnung unterschlug der Vikar jedoch nicht seinen Trennungsschmerz. Oft und heftig applaudierte die Gemeinde, etwa als Pfarrer Hund erklärte, wie schwer ihm dieser Abschied auch persönlich falle. Daneben hinterlasse der Vikar eine tiefe seelsorgerische Lücke. Insbesondere in der Jugendarbeit habe Treffert Maßstäbe gesetzt. Die anwesenden 97 Ministranten bezeugten das. Immerhin: Es wird erneut einen Vikar in Markdorf geben – und vorerst einen Urlaubsvertreter, Neupriester Simon Dreher.
Liebeserklärung für Priester Johannes Treffert in Markdorf
Südkurier 14.05.2018
Vikar Johannes Treffert verlässt Anfang Juni 2018 die Seelsorgeeinheit Markdorf, weil sein Ausbildungsabschnitt beendet ist. Die Markdorfer Ministranten werden ihn offensichtlich vermissen: In der Mainacht setzten sie ihm einen geschmückten Maien mit einem roten Herz, auf dem „Johannes“ steht.
Drei Jahre lang ist Johannes Treffert Vikar in der katholischen Seelsorgeeinheit Markdorf gewesen. Im Juni schließt der 31-Jährige diesen Ausbildungsabschnitt ab. Die dann übliche zweite Vikariatsstelle wird Treffert jedoch nicht antreten. Denn auf Wunsch der Diözese geht er nach Karlsruhe, um dort die freie Stelle des Dekanatsjugendseelsorgers anzutreten. Außerdem wird Treffert der neue geistliche Leiter des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ).
Sie lieben ihn. Anders ist der Baum vor der Wohnung des Vikars nicht zu deuten. Hier steht eine junge Birke, die bunte Bänder zieren und ein Schild mit dem Namen Johannes. Seit dem letzten Abend im April steht der „Maien“ dort. Doch stammt dieser symbolische Gunstbeweis nicht wie andere Exemplare seiner Art von einem jungen Verehrer, sondern von den Ministranten, die ganz offensichtlich „ihrem“ Vikar etwas sagen möchten, nicht durch die Blume, sondern durch die geschmückten Birkenzweige.
„Anfangs war da schon eine gewisse Skepsis“, erinnert sich Johannes Treffert an die erste Begegnung mit den Markdorfer Jugendlichen. Große, ja sehr große Schuhe hatte sein Vorgänger Sebastian Feuerstein seinem Nachfolger hinterlassen. Eng war das Verhältnis zu den Ministranten und den Jugendgruppen. „Und solches Vertrauen kann man nicht anschalten wie einen Lichtschalter“, sagt Treffert, „das kann nur langsam wachsen.“ Es ist gewachsen. Während der langen Diskussionen, zu denen sich der neue Vikar auch dann noch mit den Markdorfer Jugendlichen traf, wenn er schon lange seine schmale Freizeit hätte genießen können. „Vielleicht haben sie gemerkt, dass es mir Ernst ist, auf ihre Sorgen einzugehen“, vermutet Treffert. Selbst im relativ kirchenfreundlichen Markdorf gibt es Zweifel, gibt es Kritik an der Kirche. „Geerdet sein, seinen realistischen Blick nicht verlieren und vor allem keine frommen Sprüche“, bezeichnet Treffert als hilfreiches Rezept, um von der Jugend angenommen zu werden.
Art und Umfang, in welchem er vor drei Jahren angenommen wurde, sei ihm eindrücklich in Erinnerung. Ob aus der Gemeinde oder dem Pfarrteam – man sei ihm offen entgegengekommen. „Ich habe sehr viel gelernt in diesen drei Jahren“, erklärt Johannes Treffert. Frisch von der Universität, den Kopf voller neuer Konzepte, frischer Ideen, war es für ihn eine wichtige Erfahrung, „dass sich nicht alles eins zu eins im Glaubensalltag umsetzen lässt – und dass es gewachsene, zum Teil sehr alte Strukturen gibt, auf die man sich einlassen muss.“
Ihm wurden viele Freiräume gewährt, Bereiche, in denen er mit Neuem experimentieren konnte. Dass er vor einem Jahr mit einer Gruppe Markdorfer Jugendlicher nach Israel reisen durfte, bleibt als prägendes Erlebnis haften. Kaum weniger intensiv waren für ihn die Begegnungen in den „Ora-et-labora“-Jugendgruppen, denen er neue Akzente verlieh. Sehr bewährt habe sich aus seiner Sicht, Jugendliche um Rat zu fragen, wenn es um die Gestaltung von Gottesdiensten geht. Neue Wege schlug der junge Vikar mit Gemeindereferentin Stefania Menga ein. Bei ihrer „Marktlücke“, einem ökumenischen Projekt, sprachen sie während des Wochenmarkts zum Teil sehr kontroverse Themen an.
Dass er die Markdorfer Jugend vermissen wird, weiß Treffert schon jetzt. Auch wenn sich dank modernen Medien der Kontakt leicht aufrecht erhalten lässt. Ein Vikarsnachfolger für Johannes Treffert ist der Gemeinde schon zugesagt.
Am Samstag, 9. Juni, veranstaltet die Seelsorgeeinheit um 18.30 Uhr einen Abschiedsgottesdienst für Johannes Treffert.
Zur Person
JohannesTreffert wurde 1986 in Mannheim geboren und wuchs in Neckarshausen auf. 2006 machte er in Heidelberg sein Abitur. Im Anschluss leistete er ein Jahr lang Zivildienst in der Mannheimer Bahnhofsmission. 2007 nahm er das Studium der katholischen Theologie auf und trat in ein Priesterseminar ein. 2010 folgte ein Auslandsaufenthalt in Mexiko. 2013 schloss Treffert sein Studium ab, 2014 wurde er zum Diakon geweiht, 2015 zum Priester. Nach einer Urlaubsvertretung in Meersburg trat Treffert in Markdorf die Stelle als Vikar an. Er wurde hier Dekanatsjugendseelsorger. Jetzt geht er am 11. Juni nach Karlsruhe, wo er Dekanatsjugendseelsorger wird. Außerdem leitet er dort das Jugendreferat, unterrichtet an Schulen und wird geistlicher Leiter des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ).
Kirchengeläut schweigt bis zum Karsamstags-Gloria
Südkurier 02.04.2018
Markdorfer Ministranten pflegen die uralte Tradition des Ratschens. Auf dem Turm der Pfarrkirche St. Nikolaus werden die Ratschen aus Holz bedient.
Jack muss nicht lange überlegen, als ihn Simone Pones fragt, ob er gleich mit hochgeht auf den Kirchturm. Seinen roten Ministranten-Talar müsse er dann aber wieder ausziehen, legt ihm die Mesnerin nahe. Schließlich sei es auf der Treppe und dort, wo die Ratschen stehen, alles andere als sauber. Nach Herzenslust lärmen – und das auch noch mit offizieller Billigung, das ist es wohl, was Jack vorm Karfreitag-Gottesdienst auf den Turm der St.-Nikolaus-Kirche lockt. „Zum dritten Mal jetzt“, erklärt der Elfjährige.
In Österreich gehören sie zum immateriellen Kulturerbe. Jene Ratschen, Klappern, Räppel oder – hier in Markdorf – Rätschen, die von Gründonnerstag bis Karsamstag das Glockenläuten ersetzen. Denn dann herrscht sowohl auf dem Turm droben Stille – abgesehen vom Stundenschlag – wie auch im Chorraum, wo das Tintinnabulum, das Altarglöckchen durch eine Klapper ersetzt wird.
Seit wann in Markdorf die Gläubigen an Karfreitag mit hölzernen Ratschen zum Gottesdienst gerufen werden, das weiß Mesnerin Pones nicht zu beantworten. Aber sie kann sich erinnern, dass auch sie in ihrer Jugend mitgeholfen hat, beim knatternden Spektakel auf dem Kirchturm. Und Andreas Beck, der das halbe Dutzend Ministranten hoch begleitet, um zum besseren Gehörtwerden die Fenster auszuhängen, der kennt auch den Namen des Erbauers jener großen Ratschen. Getischlert hat die Harald Moser.
„Ihr braucht Euch nicht zu beeilen“, sagt Beck den Ministranten. Auch bei langsamem Kurbeln lassen die Nocken auf der Welle die Ratschen-Federn sehr laut klappern. Ein guter Rat. Der indes nur kurz beherzigt wird. Dann hat das grelle Schnattern der Lärminstrumente die Kinder mitgerissen. Sie drehen und kurbeln aus Leibeskräften. Quasi bis zur Erschöpfung – und lassen dann den Nächsten ans Lärm-Instrument.
Woher das Ratschen kommt? Pfarrer Ulrich Hund kann vorerst nur vermuten. „Vielleicht“, so überlegt er in der Sakristei, „vielleicht gibt es da ja auch eine Verbindung zur Fastnacht.“ Denn auch da wird Krach gemacht. Geschnellt, geklappert und geratscht, was das Zeug hält. Dieser Gedanke liegt nahe. Denn geratscht und laut geklappert wird auch an Purim, dem bei den Juden gefeierten Freudenfest, an dem sich die Gemeinden in den Synagogen über die Errettung vor ihrer Auslöschung durch die Perser erinnern – und ihre Widersacher laut verlachen.
Andererseits gibt es in der christlichen Gedankenwelt die Vorstellung, dass die Glocken beziehungsweise deren Zungen, die Klöppel – gewissermaßen als menschenähnliche Wesen – von Gründonnerstag bis Karsamstag nach Rom reisen. Um den Papst zu treffen – mit ihm Milchbrot zu speisen, bei ihm zu beichten oder aber, um dort Ostereier abzuholen. Die Volkskundler kennen viele Variationen. Für Simone Pones jedoch schweigen die Glocken, „weil in diesen Tagen der Trauer, der Einkehr ja auch die Orgel verstummt ist“.
Sternsinger unterwegs: Königlicher Besuch bis Samstag
Südkurier 02.01.2018
Nach der Aussendungsfeier in der Kirche St. Nikolaus sind die Sternsinger nun in Markdorf, Hepbach und Kluftern unterwegs. Sie sammeln Spenden für notleidende Kinder und setzen ein Zeichen gegen Kinderarbeit in aller Welt.
So viele Könige hatte es schon lange nicht in Markdorf. Das freute Vikar Johannes Treffert, als er am gestrigen Dienstagvormittag jene rund 40 Mädchen und Jungen begrüßte, die bis zum 6. Januar in Markdorf, im Teilort Hepbach und in Kluftern an der Sternsingeraktion 2018 teilnehmen. Begleitet von etlichen Jugendlichen, werden allein zehn Gruppen im Markdorfer Stadtgebiet an Haus- und Wohnungstüren klingeln, um Spenden für notleidende Kinder in aller Welt zu sammeln und ein Zeichen zu setzen gegen Kinderarbeit.
„Wenn ihr dasteht, mit festlichen Gewändern, mit Umhängen und mit Kronen auf dem Kopf, sagt ihr dann nach dem Klingeln bloß Hallo und Tschüss?“, wandte sich Vikar Treffert zu Beginn der Aussendungsfeier in der St.-Nikolaus-Kirche an die jungen Gottesdienstbesucher – und antworte selber: „Nein.“ Neben den Liedern, die an die Rückseiten der mitgeführten Sterne geheftet sind, gibt es auch Sprüche. Die Könige stellen sich vor, Balthasar und Kaspar, ebenso Melchior. Schließlich segnen sie alle, die Geld für bedürftige Kinder gegeben haben. Geld, das die zahlreichen Hilfsprojekte des Kindermissionswerks in aller Welt unterstützt.
Beim „Hallo“ und knappen „Tschüss“ bleibe es also nicht, erklärte Vikar Treffert. „Viele Menschen in unserer Gemeinde warten schon auf euch.“ Sie freuten sich auf die Lieder, Sprüche sowie den Segen. Letzterer erscheint, für jeden sichtbar, als Kombination aus Buchstaben und Ziffern an den Türstöcken. Neben dem Jahr 2018 sind dort außerdem die Namenskürzel der heiligen Drei Könige zu lesen sind. Aufgeschrieben nicht mit irgendeiner Kreide, sondern mit Kreidestücken, die während der gestrigen Aussendungsfeier ebenso gesegnet wurden wie auch die kleinen Könige in den Kirchenbänken.
„Warum ihr euch auf den Weg macht“, das erläuterte zur Sicherheit noch einmal Lennart Schöttke, ein 15 Jahre alter Ministrant. Er erinnerte daran, wie fatal Kinderarbeit ist. Ohne die könnten viele Familien in zahlreichen Ländern kaum überleben. Die arbeitenden Kinder jedoch nehmen häufig Schaden daran – gesundheitlich. Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen, die die deshalb ausbleibende Schulausbildung für ihren weiteren Lebensweg hat. Dem entgegenzuwirken und vorzubeugen sei Ziel des Kindermissionswerk, so Vikar Treffert. Die Kinder in Indien seien stark betroffen. Doch stünden sie lediglich als Beispiel für ihre in Armut lebenden Altersgenossen auf sämtlichen Kontinenten. All das stehe auf einem Informationsblatt, „falls euch jemand fragt. Und für den Fall, dass jemand die Drei Könige an seiner Tür „für verkleidete Verbrecher hält“, tragen die Kinder auch noch einen Ausweis bei sich mit dem Stempel der Gemeinde.
Die Sternsinger
- Der bundesweite Auftakt zur Aktion Dreikönigssingen 2018 oder Sternsingeraktion 2018 hat am 29. Dezember im Trierer Dom stattgefunden. Zu Gast waren 2600 Sternsinger. Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ ist das Kinderhilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland. Seit 1959 organisiert es nach eigenen Angaben in Deutschland die Aktion Dreikönigssingen, seit 1961 zusammen mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Seit fast 60 Jahren ist das Kindermissionswerk somit das Hilfswerk der Sternsinger.
- Das Motto der diesjährigen Sternsingeraktion lautet „Segen bringen, Segen sein. Gemeinsam gegen Kinderarbeit – in Indien und weltweit“. Alle Spenden, die Sternsinger in diesen Tagen einsammeln, fließen ausschließlich in Projekte für Kinder in Not. Bei ihren Hausbesuchen schreiben die Sternsinger den Segen „20*C+M+B+18“ über die Türen. Das aktuelle Jahr steht getrennt am Anfang und am Ende. Der Stern steht für den Stern, dem die Weisen aus dem Morgenland gefolgt sind. Zugleich ist er Zeichen für Christus. Die Buchstaben stehen für „Christus Mansionem Benedicat“ – Christus segne dieses Haus.
- In Markdorf werden die Sternsinger noch bis zum Dreikönigstag unterwegs sein zwischen 9.30 und 17 Uhr. Wie viel Geld sie dabei eingesammelt haben, werden die Ministranten abends auf ihrer Internetseite und in den sozialen Medien mitteilen.