Unterwegs mit den Martini-Sängern: Sie singen für den guten Zweck
Südkurier, 02.11.2023
Von Allerheiligen bis einschließlich Samstag ziehen die Markdorfer Martinisänger von Tür zu Tür, um ihr traditionelles Martinilied zu singen. Dabei sammeln sie Spenden für das Caritas Kinderhospital in Bethlehem.
„Auch bei uns Mini-Leiterinnen ist das Martini-Singen zu einer schönen Tradition geworden“, sagt Hanna Gihr. Bevor es um 17.30 Uhr losgeht, treffen sich an Allerheiligen 13 Ministranten und Leiterinnen zur letzten Liedprobe im Ministrantenkeller. „Das Lied geht doch nicht so schnell ins Ohr“, weiß Hanna Gihr. Das gilt nicht nur für die Melodie mit ihrem ungewöhnlichen Rhythmus, sondern auch für den Text aus dem 17. Jahrhundert. Aber immerhin dürfen die Ministranten auf Deutsch singen. „Früher sangen die höhergestellten Schüler auf Latein“, so die Gruppenleiterin der Minis. Nach der dritten Runde kommt ihnen das Lied schon ganz gut über die Lippen.
Gemeinsame Aktion mit Freunden
Der zwölfjährige Philipp ist bereits zum dritten Mal bei den Martini-Sängern dabei. „Man tut was für den guten Zweck“, sagt er zu seiner Motivation, in den Herbstferien den alten Markdorfer Brauch am Leben zu erhalten. Jakob (11) ist zum ersten Mal dabei. Neben dem guten Zweck sieht er das Martinisingen auch als schöne Aktion zusammen mit seinen Freunden. „Uns allen ist es wichtig, den Brauch zu erhalten“, sagt Mini-Leiterin Franziska Rick. Hinzu komme die Gemeinschaft in der Gruppe, die allen Spaß mache, ergänzt Hanna Gihr.
Der Brauch
Am 1. September 1631 gründete Stadtammann Christoph Petz während des Dreißigjährigen Krieges eine Schulstiftung. Vier Jungen aus Bürgerfamilien sollten einen besseren Unterricht erhalten und eine Gesangsausbildung bekommen, indem sie an Festtagen sangen. Sie bekamen den Auftrag, im November das Martini-Lied an den Haustüren zu singen, um mit den Spenden ihrem Chorleiter als Dankeschön eine fette Gans bezahlen zu können. Heute singen keine Chorschüler mehr, sondern Ministranten. Und die Spenden werden für einen guten Zweck gesammelt, nämlich für das Caritas Babyhospital in Bethlehem. 1952 von einem Schweizer Pater gegründet, werden hier rund 53.000 Kinder im Jahr behandelt.
Mit Mantel, Hut, Stock und Laterne
Eingepackt in dicke, dunkle Mäntel, auf dem Kopf einen Hut, in der Hand Stock oder Laterne ziehen die Martinisänger zuerst zum Pfarrhaus. Alle gemeinsam singen für Pfarrer Ulrich Hund das Martinilied – quasi als Generalprobe. Er lässt es sich nicht nehmen, den ersten Obolus in die Spendendose zu stecken. „Der Brauch des Martin-Singens ist etwas Besonderes in Markdorf und unbedingt erhaltenswert“, sagt er. Dann teilen sich die Sänger auf, um an möglichst vielen Haustüren klingeln zu können.
Von Tür zu Tür in der Obertorstraße
Die Ministranten Philipp, Jakob und Max versuchen zusammen mit den Gruppenleiterinnen Franziska Rick, Maren Engel und Carina Hofacker zuerst ihr Glück in der Obertorstraße. „Ich habe keine Zeit, tut mir leid“, ist aus der Gegensprechanlage zu hören. „Wir sind nicht gläubig“ und „Wir spenden nicht fürs Ausland“ bekommen die Martini-Sänger zu hören.
Bei Gernot Mader haben sie zum ersten Mal Glück und dürfen ihr Lied singen. „Ich kannte den Brauch nicht, aber es ist in Ordnung“, sagt Mader, steckt einen Schein für das Kinderhospiz in die Spendendose und zaubert Max ein Lächeln ins Gesicht.
Brauch soll unbedingt bewahrt werden
„Ihr dürft“, begrüßt Gerlinde Hübner die Martini-Sänger. Der Brauch gehöre ebenso wie die Fasnet und die Sternsinger zu Markdorf. „Diese Traditionen machen die Stadt aus und müssen unbedingt bewahrt werden“, sagt Hübner.
Bei Dietmar Bitzenhofer wird es ernst. „Letztes Jahr habt ihr versprochen, dass ihr das Lied auf Latein singt“, begrüßt er die Ministranten. Franziska Rick ist vorbereitet und hat einen Zettel mit dem lateinischen Text in der Manteltasche. „Ich finde es toll, dass so viele Kinder beim Martini-Singen dabei sind“, lobt Bitzenhofer. Da verschmerzen es die Martini-Sänger, wenn die nächste Tür nur einen Spalt auf- und gleich wieder zugeht.